Neukontextualisierung normierter Wissensbestände am Beispiel der altbabylonischen Legal Phrasebooks
Unterprojekt von Julia Levenson
Im 2. Jtsd. v. Chr. lässt sich in Babylonien ein Prozess der Verschriftlichung epistemischer Wissensbestände beobachten, dessen Ursprünge fast zum Beginn der keilschriftlichen Überlieferung zurückreichen, z.B. in Form von Zeichenlisten. In altbabylonischer Zeit tauchen jedoch multithematische lexikalische Kompendien auf, die, zunächst einsprachig sumerisch, epistemisches Wissen aus verschiedenen Bereichen listenartig zusammenfassen.
Eine Unterart der lexikalischen Kompendien stellen die sog. legal phrasebooks dar, in denen die Schreiber Vokabular und Formular der altbabylonischen Rechtsurkunden zusammenstellten und die in verschiedenen Lokalversionen, z.B. aus Nippur und Sippar, bekannt sind. Bis zum 1. Jtsd. v. Chr. fanden die Bestände dieser phrasebooks Eingang in die kanonischen Fassungen der zweisprachig sumerisch-akkadischen Listen ana ittišu und ur5-ra = ḫubullu.
Das Unterprojekt hat zwei Schwerpunkte: Erstens untersucht es im Vergleich der legal phrasebooks mit Texten aus dem Lehrkontext (Exzerpte, model contracts) einerseits und Urkundenmaterial andererseits den Binnentransfer der Wissensbestände zwischen den Textgattungen während der altbabylonischen Zeit. Außerdem wird die Kanonisierung dieser Wissensbestände durch den vertikalen Vergleich der altbabylonischen Texte mit den großen Listen des 1. Jtsd. v. Chr. betrachtet.