Die byzantinische Koranübersetzung aus dem 8./ 9. Jh. n. Chr. und ihre Verwendung in der Polemik des Nikētas von Byzanz (9. Jh.)
Ein Kommentar zu seiner „Widerlegung des Koran“ (Ἀνατροπὴ τοῦ Κορανίου) unter Einordnung des Nikētas in seinen häresiologischen und historisch-theologischen Kontext
Unterprojekt von Manolis Ulbricht
Die griechische Koranübersetzung des 8./ 9. Jh. n. Chr. ist uns in einem byzantinischen Codex (9./ 10. Jh.) fragmentarisch erhalten geblieben. Sie zirkulierte im 9. Jh. im Byzantinischen Reich und scheint auf den ersten Blick eine getreue Übersetzung des textus receptus zu sein. Doch bei näherer Analyse des griechischen Textes fallen im Vergleich zum arabischen einige subtile, theologisch jedoch bedeutsame Differenzen auf. Diese Modifikationen können als Resultat einer christlichen Hermeneutisierung des Korantextes verstanden werden. Das Unterprojekt soll die Koranübersetzung unter historischen, theologischen und sozio-kulturellen Aspekten analysieren und die Islampolemik kommentieren.
Die zahlreichen Fragmente der von einem anonymen Autor stammenden griechischen Übersetzung werden im polemischen Werk „Widerlegung des Koran“ (Anatropē) des Nikētas von Byzanz (9. Jh.) wörtlich zitiert. Diese Koran-Fragmente werden im Rahmen des Forschungsprojektes aus der Polemik extrahiert, klassifiziert und in einer Neu-Edition des vatikanischen Manuskripts in Form einer Synopse mit dem arabischen Text vorgelegt. Weiterhin wird ein Glossar mit Konkordanz erstellt und ein philologisch-theologischer Kommentar zu den Koranfragmenten sowie ihrer teleologisch-polemischen Verwendung innerhalb der Polemik erarbeitet.
Die Übersetzung wird von Nikētas zur Polemisierung gegen den Islam verwendet. Nikētas tritt somit das geistige Erbe früherer Häresiographen wie Johannes von Damaskus (7./ 8. Jh.) und Theodor Abū Qurrah (8./ 9. Jh.) an, wobei er jedoch der früheste bekannte Autor ist, der sich auf Grundlage des Koran textimmanent mit dem Islam auseinandersetzt. Er prägte mit seinem Werk das byzantinische Islamverständnis über Jahrhunderte hinweg. Seine Rolle für die lateinische Islampolemik ist bisher noch nicht ausreichend entfaltet worden. Die Auseinandersetzung mit Nikētas von Byzanz verspricht Licht auf einen frühen, in der Forschung bisher nur marginal behandelten Schlüsseltext zu werfen und so die arabisch/muslimisch-byzantinisch/christlichen Beziehungen sowie insbesondere die stattfindenden intellektuellen und theologischen Transferprozesse zu beleuchten.