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Gottes Wort vorgetragen – Koranrezitation und Wissensformierung in der frühislamischen Theologie

Unterprojekt von Nora K. Schmid

 
Das Unterprojekt untersucht die Rolle des Gotteswortes in seiner kultisch-sprachlichen Aktualisierung bei der Formierung von Wissen in der arabisch-islamischen Kultur, insbesondere asketischen Kontexten.

Bereits im Koran selbst werden die vor der werdenden Gemeinde stattfindende Rezitation, Memorisierung und Verinnerlichung der koranischen Offenbarungen sowie Weisen frommer Hingabe verhandelt. Der Konnex von Rezitation und Streben um Wissen hat jedoch auch einen besonderen Stellenwert im frühislamischen theologischen Schrifttum. Als besonders aussagekräftig mit Blick auf die Bedeutung und Funktion der Rezitation zeigt sich etwa die Literatur über „Weltverzicht“ (zuhd). Theologische Texte, in denen die Exzellenz einer sich mit den Weltverzichtübenden überschneidenden frommen Personengruppe (ahl al-qurʾān) reflektiert wird, die den Koran memorisieren, lernen, lehren und somit Gottes Wort in der Rezitation gewärtig halten, deuten auf ein durch Sprachlichkeit allererst entstehendes und zur Geltung gelangendes Wissen. Kultische Wissensbestände entziehen sich aussagenlogischem Zugriff, konstituieren sich aber durch Wahrheitsansprüche, die zu gelehrten Begründungsstrategien komplementär und mit diesen verzahnt sind.

Im Unterprojekt soll ein in spätantiken asketischen Kontexten verorteter Transfer hermeneutischer Verfahren anhand der Praxis der Rezitation weiter ausgelotet werden. Die Auseinandersetzung mit Wissen, das im kontemplativen und rituellen Vollzug „freigesetzt wird“, soll letztlich auch zu der Beschreibung von für die Spätantike konstitutiven Transferprozessen beitragen, die durch eine neue Perspektive auf das Selbst gekennzeichnet sind.