Figuration und Defiguration in Zeichnungen des Cinquecento
Unterprojekt von Claudia Reufer
Das Unterprojekt fragt nach figuralen Wissensbewegungen und deren Zeitlichkeiten in venezianischen Zeichnungen des Cinquecento. Dabei werden besonders solche Zeichnungen in den Blick genommen, die sich durch einen der linearen Struktur entgegenwirkenden Modus auszeichnen und Semantiken gerade durch die Spannung zwischen figurierenden und defigurierenden Momenten generieren. Die Auflösung der Form, die defigurierenden Aspekte der Figur werden in ihrer konkret materialen Ausformung und ästhetischen Gestalthaftigkeit als Momentum der Sinnkonstitution verstanden. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern sich mit der reziproken Transgression von figurierenden hin auf de-figurierende Liniengefüge neue ästhetische und kognitive Geltungsansprüche verbinden, die in den Zeichnungen selbst thematisiert und reflektiert werden.
Dem Medium der Zeichnung eignet eine genuine Zeitlichkeit, die sich nicht nur in der Bewegung der Hand oder der Prozessualität und Dynamik des Linienzugs, sondern gleicherweise im Prozess der Wahrnehmung niederschlägt. Ausgehend von Aspekten des Dynamischen, der Anfänglichkeit, des Fragmentierten oder der Unabgeschlossenheit, die sich in Zeichnungen von Tizian, Palma il Giovane, Tintoretto u.a.m. beobachten lassen, wird der Frage nachgegangen, wie derartige Konfigurationen als ästhetisches Momentum figuralen Wissens fungieren.