Transferprozesse von/in frühneuzeitlichen Sprachbüchern
Unterprojekt von Julia Hübner
Das Unterprojekt beschäftigt sich mit der Frage nach Norm und Variation in den Sprachlehrbüchern. Welches sprachliche Wissen wurde als relevant/angemessen erachtet, welche Kenntnisse wurden bereits präsupponiert? Welches Wissen wurde explizit vermitteltet und welches wurde unterschwellig mittransportiert?
Auf einer höheren Ebene ist nach Geltungsansprüchen zu fragen, und zwar in mehrerlei Hinsicht: Zunächst geht es um den Autoritätsanspruch der Lehrbuchautoren, die wohl in unterschiedlichem Maße sprachkompetent waren, gerade bei den mehrsprachigen Texten; die autoritativen Selbstzuschreibungen in den Vorworten und Paratexten mancher Sprachbücher sind hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit zu hinterfragen; mögliche Übersetzungsfehler bzw. systematische, durch den sprachlichen Transfer bedingte Verzerrungen sind in Rechnung zu stellen.
Die Problematisierung der jeweiligen Geltungsansprüche ist von besonderer Relevanz, da der Untersuchungszeitraum in eine Epoche noch vor der Standardisierung des Deutschen fällt (auch wenn im 17. Jahrhundert bereits entsprechende Bestrebungen zugange waren); angesichts der dadurch bedingten Variationstoleranz haben Fragen nach der Sprachrichtigkeit (und dem autoritativen Wissen darüber) einen anderen Status als späterhin; in diesem Zusammenhang wird es interessant sein herauszufinden, ob die Texte so etwas wie verschiedene Register/Stilebenen reflektieren. Aus den Ergebnissen dieser Forschungsfrage lassen sich neuartige Rückschlüsse auf implizites Wissen und gesellschaftliche Einstellungen zu sprachlicher Variation in ‚vor-normierter‘ Zeit ziehen. – Schließlich stellen die Sprachbücher einen höchst interessanten Fall medialer Brechung dar: Die fokussierten Alltagsroutinen sind zwar einerseits durch die jeweils geltenden grammatischen und sozialen Normen bestimmt, andererseits aber sind gerade die sozial relevanten Teile der Sprache diskursiv aushandelbar (bis zu einem gewissen Grad).