Ciphers, Sounds and Ear Trumpets: Akustik und Spionage in England, 1655–1685
Unterprojekt von Anna Laqua
Das Unterprojekt befasst sich mit spionagerelevanten Kommunikationsformen unter Oliver Cromwell und Charles II. Geleitet vom zentralen Interesse des Teilprojekts an ‚epistemischen Dissonanzen‘ soll gezeigt werden, wie akustische Geheimhaltungspraktiken und -technologien eine Neukontextualisierung der zeitgenössischen Theoriebildung provozierten. Die im Untersuchungszeitraum entwickelten Spionagepraktiken und -technologien eignen sich zudem in besonderer Weise, um das Doppelinteresse des Teilprojekts an akustischen Phänomenen als Wissensobjekte und epistemische Werkzeuge zu verfolgen.
Historische Überwachungspraktiken sind in der Nachfolge Foucaults (1975) vorwiegend unter dem Primat des Visuellen verhandelt worden, während auditive Dimensionen der Spionage bislang ein Forschungsdesiderat darstellen. Entsprechend parallelisiert das Unterprojekt kryptografische Geheimkommunikation (exemplarische Vorarbeiten dazu: Kahn 1967, Leeuw/Bergstra 2007) und bisher kaum beachtete akustische Geheimkommunikationsformen (lediglich Szendy 2007, Zbikowski 2002, Berns 2006).
Theorien und Praktiken kryptografischer und akustischer Geheimkommunikation stellten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kein absolutes Novum dar, sondern sind in einer weiter zurückreichenden Traditionslinie (G. della Porta 1563, B. de Vigenère 1586, J. Wilkins 1641 [anon.] u. a.) zu situieren. Neuartig jedoch war der institutionelle Rahmen, den Cromwells Post Office als zentralisierte Überwachungsinstanz bildete und in der Akteure wie die Mathematiker und Kryptologen Samuel Morland (1625–1695) und John Wallis (1616–1703) agierten und ihre Position auch während der Stuart-Restauration beibehielten. Die mikrohistorisch angelegte Studie fokussiert das Verhältnis zwischen Wallis’ Bemühen um eine neue mathematisch fundierte Musiktheorie und seinen kryptoanalytischen Spionageaktivitäten. Daneben interessieren Morlands spionagerelevante Erfindungen: Briefkopiermaschinen, kryptografische Methoden und Apparaturen (Machina cyclologica cryptographica 1666), Instrumente zur akustischen Überwachung (Otacousticon ca. 1671) und Kommunikation (Tuba stentoro-phonica 1671).