Figurationen des Bösen im barocken Trauerspiel
Unterprojekt von Isabel von Holt
Der Begriff der Religion durchläuft in der Frühen Neuzeit einen fundamentalen Wandel, indem sich mit der Reformation und den daran anschließenden Reformbewegungen des 17. Jahrhunderts eine zunehmende ‚Verinnerlichung’ vollzieht. Dies lässt sich nicht nur im Bezug auf Konzeptionen von Frömmigkeit und ihre ästhetischen Repräsentationen konstatieren, sondern auch im Hinblick auf den Komplex des Bösen. War der Teufel noch prominenter Akteur in den geistlichen Spielen, verliert er gerade in diesem Kontext seine Bedrohlichkeit, schließlich ist das böse Prinzip, dessen Verkörperung er leistet, in ihm gleichsam bequem gebannt. Diese strikte Äußerlichkeit des Teufels bedingt gleichsam eine Verinnerlichung – eine ‚Psychologisierung’ – des Bösen, die als solche eigentlich erst dem 18. Jahrhundert attestiert wird.
Diese komplementäre Bewegung einer so zu nennenden ‚Veräußerung des Teufels’ und der damit einhergehenden ‚Internalisierung des Bösen’ lässt sich vor allem in den barocken Trauerspielen nachvollziehen: Der zeitgenössischen Theatrum mundi-Idee folgend bringt das Drama die Mechanismen und Dynamiken des Welttheaters in ihrem Aufführungscharakter gar erst zur Anschauung, weshalb in diesem spezifischen ästhetischen Raum die epistemischen Veränderungen umso deutlicher lesbar werden. Vor diesem Hintergrund wird im Unterprojekt nach ebensolchen diskursiven Formationen und Relationen gefragt, die das Böse in die literarische Repräsentation einspeisen und wechselwirkend hervorbringen. Die durchaus kanonisierten und institutionalisierten Dramentexte von Gryphius, Lohenstein und Hallmann sollen dabei systematisch auf den Ebenen der Schauplätze, der Figuren und der sprachlichen Inszenierungen in ihren spezifischen Anordnungen und Konfigurationen untersucht werden, um zu zeigen, dass nicht nur die Darstellungsmodi, sondern auch das Wissen vom Bösen in Bewegung ist.