Frageperspektiven und theoretische Fundierung
Nachdem die erste Förderphase die Tragfähigkeit der zentralen Begriffe – Transfer und Episteme – erwiesen hat, soll in der zweiten Förderphase ihr analytisches Zusammenspiel in den Vordergrund treten. Für das Transferkonzept werden insbesondere diejenigen Faktoren – Akteure, Medien, Praktiken, Diskurse, Institutionen und deren Strukturzusammenhänge – genauer analysiert, die im Prozess der Neukontextualisierung ineinander wirken. Den analytischen Rahmen zur Beschreibung dieser Wirkzusammenhänge bietet das Konzept der ,Wissensoikonomien‘, das seinen Fokus auf die Reziprozitäten und Rückbezüglichkeiten der an den Prozessen des Wissenswandels beteiligten Faktoren legt.
Der Begriff der Wissensoikonomie eignet sich speziell zur Beschreibung von Prozessen des Wissenswandels, die quer zu den räumlichen und epochalen Grenzziehungen der traditionellen Wissensgeschichtsschreibung stehen. Zugleich geht es aber auch um eine konkretere Differenzierung des Episteme-Konzepts in Bezug auf das praktische Aushandeln von Geltungsansprüchen. Hierfür soll der Begriff des Protokolls dienen, mit dem die impliziten und stets nur zum Teil expliziten Verfahrensmuster bei der Konstitution und Konsolidierung des Wissensstatus aufgefächert werden können. Besondere Aufmerksamkeit gilt bei der Untersuchung der Wissensoikonomien wie auch bei der Auffächerung der für die Wissenskonstitution und -entwicklung wirksamen Protokolle den Aspekten der Materialität wissensgeschichtlicher Entwicklungen wie auch dem Problem dessen, was wir ,negativen Transfer‘ nennen wollen. Der negative Transfer lenkt unseren Blick auf den produktiven Aspekt des Verschwindens oder Aussonderns von Wissensbeständen und trägt dazu bei, die vormoderne Wissensgeschichte und ihr kreatives Potential gerade dort zu würdigen, wo sie sich der Methoden der Auslassung und Selektion bedient.