Glasindustrie in Murano. Wissenstransfers zwischen Tradition und Innovation, fama und Geheimnis
Studientag mit Karina Pawlow (Uni Köln), organisiert vom TP B04 „Das Wissen der Kunst. Ästhetik und Semantik figuraler Bildlichkeit in der Renaissance“ unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Krüger
Zwischen ca. 1450 und 1800 fand auf dem Sektor der Glasherstellung in Venedig eine Vielzahl von Neuentwicklungen statt, beispielsweise die Perfektionierung von farblosem Glas, dem cristallo. Darauf folgte die Entwicklung weiterer Glasarten wie calcedonio, lattimo und avventurina – Neuerungen, die zu den segreti der Muraneser Glaskunst stilisiert und als solche später auch rechtlich – in Form von Patenten – geschützt werden mussten, um Venedigs Monopolstellung in der Fertigung dieses zum Luxusgut aufgestiegenen Materials behaupten zu können.
Karina Pawlow stellt auf dem Studientag Werke der Glaskunst aus Venedig und in Form von à la façon de Venise vor, die von einem regen Wissenstransfer erzählen, den selbst der Erfindungsschutz nicht einzudämmen vermochte. Gerade die Konkurrenz regte offenbar Innovationsprozesse an, die nicht immer zu einem finanziellen Vorteil, dafür aber einer künstlerisch-technischen Vielfalt in der Muraneser Glasfertigung führten. Dabei untersucht Pawlow den Austausch kunsthandwerklichen Wissens, das sich gleichermaßen in diesen Innovationsprozessen als auch in Narrativen der Glasprivilegien Venedigs niederschlägt. Motive der Adaptionen, Transformationen und Imitationen rücken ins Blickfeld, sind sie doch diesen Glasarten immanent. Dabei geht es Pawlow auch um eine begriffliche Schärfung der unterschiedlichen Formen der nachahmenden Aneignung, die im Kontext von künstlerischem Vermögen, von Werkstattwissen, von Techniktransfer, aber auch im Umfeld der entstehenden europäischen Märkte und im zunehmenden Austausch von Luxuswaren im Europa der Frühen Neuzeit zu verorten sind.