Workshop 2: Performing Economies: Changing and Exchanging Goods in Pre-Modern Ritual Communities
im Rahmen der Jahrestagung "Wissensoikonomien – Ordnung und Transgression in vormodernen Kulturen"
Der Workshop wird sich mit der Frage befassen, ob und inwiefern bei vormodernen Wissenszirkulationen von ‚Ökonomien‘ gesprochen werden kann. Zentral für vormoderne epistemische Gemeinschaften sind diskursiv oder künstlerisch behauptete und häufig rituell vollzogene Szenarien des Tauschens, Schenkens, des Handels und Handelns mit und an Objekten. An Handelsgüter, Kultgegenstände, Werkzeuge, Heilmittel und andere Tausch-Objekte bindet sich ein Wissen, das Prozesse des Austauschs ermöglicht und anregt, mitunter verstetigt. Dieses Wissen wird im Zuge solcher Prozesse selbst aktualisiert, aber auch transferiert, neu kontextualisiert und folglich verändert.
Soziale und performative Praktiken des ritualisierten Handel(n)s reflektieren – so die Organisatoren des Workshops – ein Bewusstsein für gesellschaftliche und epistemische Ordnung(en). Das Ritual selbst zielt häufig darauf ab, solche Ordnungen herzustellen, aufrechtzuerhalten oder wiederzufinden. Gerade das religiöse Ritual, allen voran das kultisch vollzogene Opfer, weist aber neben den ordnungsgenerierenden Aspekten ebenso ein Transgressionspotenzial auf. Dem Antagonismus und der Dialektik von Ordnung und Transgression in vormodernen Ritualpraktiken und -gemeinschaften wird im Workshop aus drei verschiedenen Fachdisziplinen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten nachgegangen.
Martin Gehlmann (Koreanistik) wird anhand der 1572 in Korea gegründeten Oksan Akademie und den in der Akademie für den Gelehrten Hoejae Yi Ŏnjŏk 晦齋 李彦迪 (1491 – 1553) durchgeführten Riten einem Beispiel für die Ausdifferenzierung eines Wissensnetzwerks und einer auch Schriftlichkeit einbeziehenden Gelehrtenkultur um ein kultisches Zentrum herum nachgehen. Besonders das Verhältnis zwischen der strikt geregelten Verehrung Yi Ŏnjŏks und den Druck- und Publikationsaktivitäten der Akademie wird unter dem Begriff ‚Wissensoikonomie‘ diskutiert.
Lennart Lehmhaus (Judaistik) beschäftigt sich mit Anekdoten, in denen der Transfer medizinischer Episteme (v.a. Rezepte, Therapieanweisungen, Wissen über Anatomie und gesunde Lebensweise) explizit als ritualisierter Austausch und Interaktion zwischen rabbinischen Gelehrten und nicht-rabbinischen oder nicht-jüdischen Experten unterschiedlicher Provenienz (römische Damen, arabische Nomaden, Ärzte und Heil(mittel)kundige) beschrieben wird. Von besonderem Interesse ist dabei das Zusammenspiel dieser narrativen Episoden mit anderen Komponenten des diskursiven Gesamtgefüges sowie die Funktion als „epistemisches Genre“, die über das etablierte (Forschungs-)Verständnis als praktische Illustration religionsgesetzlicher Vorschriften hinausgeht.
Falk Quenstedt (Ältere deutsche Literatur) untersucht Darstellungen des Austauschs und Transfers staunenswerter Objekte und Wesen, wie sie deutschsprachige Erzähltexte um 1200 im Zusammenhang mit höfischen Praktiken der Regulation und Aushandlung von Machtbeziehungen entwerfen. Austauschprozesse stellen Kommunikation und Verbindung dabei gerade zwischen Herrschaftssphären her, welche die Texte als einander fremd oder gar feindlich gesinnt darstellen, wobei Grenzziehungen und ihre Transgression in ein Spannungsverhältnis treten. Die Darstellungen folgen dabei Logiken der Gabenökonomie, die einerseits auf dem Prinzip der Reziprozität beruhen, andererseits aber auch mit diesem Prinzip brechen – etwa durch provokative Symbolisierungen und Dynamiken gegenseitiger Überbietung. Sie bieten damit ein gutes Beispiel, um das Zusammenspiel von Tauschprozessen, Wissenstransfer, rituellen Handlungen, dem Ziehen/der Transgression von Grenzen mit Blick auf ‚Wissensoikonomien‘ zu diskutieren.
Wir freuen uns über Anmeldungen zum Workshop per E-Mail an falk.quenstedt@fu-berlin.de.
Weitere Informationen
Konzept: Martin Gehlmann, Lennart Lehmhaus, Nora Schmidt und Falk Quenstedt
Der Workshop findet in englischer Sprache statt.