New Materialism(s) und vormoderne Wissensdynamiken. Workshop mit Prof. Jeffrey Jerome Cohen (George Washington University)
Workshop konzipiert und organisiert von den Teilprojekten B01 „Artefakte, Schätze und Ruinen – Materialität und Geschichtlichkeit in der Literatur des englischen Mittelalters“ (Leitung: Prof. Dr. A. J. Johnston), B02 „Das Wunderbare als Konfiguration des Wissens in der Literatur des Mittelalters“ (Leitung: Prof. Dr. J. Eming) und C04 „Spielteufel, Narrenschiff, Totentanz. Figurationen von Risiko in Spätmittelalter und Früher Neuzeit“ (Leitung: Prof. Dr. V. Tkaczyk)
‚Materialität‘ ist als theoretisches Problem bereits seit den 1980er Jahren ins Zentrum des Interesses der Geistes- und Kulturwissenschaften gerückt. Objekte und ihre Materialitäten interessierten dabei zunächst – etwa in den Material Culture Studies – vor allem im Zusammenhang kultureller Praktiken und die Untersuchungen widmeten sich zumeist der diskursiven bzw. sozialen Konstruktion von Gegenständen durch menschliche Subjekte. Seit Ende der 1990er Jahre haben jedoch verschiedene Strömungen, die sich unter dem Schlagwort New Materialism versammeln lassen, diesen Anthropozentrismus zu hinterfragen begonnen und stattdessen das Zusammenwirken unterschiedlicher materialer Dynamiken zum Gegenstand des Interesses gemacht – mit besonderem Fokus auf nicht-menschliche Prozesse. Materialität wird so innerhalb selbstorganisierender Netzwerke denkbar, in denen die Grenzen einzelner Körper und Objekte unscharf werden. In der Folge hinterfragen die New Materialisms dichotome Analysekategorien wie beispielsweise die Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt oder Natur und Kultur als spezifische Narrative der Moderne. Vormoderne Entwürfe und Darstellungen von Materialität gewinnen dabei nicht nur für diese Theoriebildung selbst an Bedeutung. Sie rücken darüber hinaus für Fragen des historischen Wissenswandels in den Fokus, etwa, wie sich das Wissen um Materialität und Objekte in literarischen Texten, philosophischen Entwürfen, Objektbeschreibungen und sakralen, politischen oder ökonomischen Praktiken jeweils (re)konstituiert. Auch die Problematisierung epochenspezifischer Zuschreibungen, die quer steht zur geläufigen Rhetorik historischer Umbrüche, macht die Ansätze des New Materialism für die Untersuchung vormoderner epistemischer Transferprozesse relevant.
Der Workshop mit Professor Jeffrey Jerome Cohen (George Washington University, Washington D.C.) am 11. und 12. März 2016 wird sich diesen Fragestellungen widmen. Jeffrey Jerome Cohen hat in einer Vielzahl von Veröffentlichungen theoretische Ansätze der Postcolonial Studies, des Ecocriticism und der New Materialisms für mediävistische Fragestellungen fruchtbar gemacht. Er wird im Rahmen eines Vortrags aus seiner Forschung berichten und anschließend für eine Diskussion zur Verfügung stehen (11. März). Am Folgetag werden wir gemeinsam mit unserem Gast eine Auswahl theoretischer Texte diskutieren (12. März) und uns mit Fragen der Relevanz und der Anwendbarkeit der New Materialisms für die Untersuchung historischer Wissensdynamiken auseinandersetzen: Wie lassen sich Dinge in einer nicht-menschlichen Perspektive konzeptualisieren? Inwiefern ist Materie als belebt oder gar narrativ zu verstehen und inwieweit korreliert dies mit vormodernen Entwürfen agentieller Materialität? Wie wird ein ‚eigenständiger‘ Akteursstatus von Materie, der sich ihrer spezifischen Materialität ebenso verdankt wie ihrem Zusammenspiel mit menschlichen Subjekten, für epistemische Dynamiken relevant? Welche Herausforderung bedeuten die Ansätze der New Materialisms für etablierte, mit bestimmten Dichotomien arbeitende geistes- und kulturwissenschaftliche Analyseverfahren? Und wie lassen sich systemische Wechselwirkungen zwischen Menschen und Objekten als Bestandteil von Wissensoikonomien beschreiben, wie sie im SFB 980 als Analysekategorie entworfen werden?
Vortrag und Workshop finden in englischer Sprache statt. Die Veranstaltung steht allen Interessierten offen. Die Texte werden in einem Reader zur Verfügung gestellt, der im Vorfeld per Email verschickt wird.
Um Anmeldung wird gebeten bis 5. März 2016 unter: falk.quenstedt[at]fu-berlin.de.
Programm
11.03.2016, 18.00 Uhr:
Vortrag von Jeffrey J. Cohen mit anschließender Diskussion
12.03.2016, 10.00 – 16.00 Uhr:
Lektüre und Diskussion
Zeit & Ort
11.03.2016 - 12.03.2016
Sitzungsraum des Sonderforschungsbereichs 980 „Episteme in Bewegung“, Schwendenerstr. 8, 14192 Berlin
Weitere Informationen
Ansprechpartner: Jan-Peer Hartmann, Peter Löffelbein und Falk Quenstedt