Springe direkt zu Inhalt

Wissen in Buchgestalt

30.09.2019 - 02.10.2019
Wissen in Buchgestalt

Wissen in Buchgestalt
Bildquelle: Österreichische Nationalbibliothek Wien, Codex Vindebonensis Phil. Gr. 139, f. 110r.

Tagung des Teilprojekts Informationsinfrastruktur "Bücher auf Reisen"

 
Für das Medium Buch haben sich über Jahrhunderte vielfältige Praktiken entwickelt, Wissen in ihm zu speichern, zu verwalten, verfügbar zu machen und abzurufen oder aber auch zu chiffrieren und den Zugang zu ihm zu beschränken. Scholien, Glossen, Kommentare, Indizes, Illustrationen, Tabellen, Karten und Diagramme sind nur einige augenfällige Beispiele, aber auch die innere Anordnung des Textes muss als eine Organisationsform von Wissen in Büchern gesehen werden. Die adäquate Lektüre setzt mehr oder weniger bewusste Kenntnisse dieser Verfahren voraus und dass man, um diese Praktiken zu analysieren, selbst wiederum ein bestimmtes Wissen benötigt, gerät angesichts der heute auch in den Geisteswissenschaften omnipräsenten digitalen Medien wieder stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei spielen für die Analyse der Wissensorganisation in Büchern sowohl die Materialität des Buches als auch soziale Strukturen und kulturelle Praktiken eine wichtige Rolle. Diese Faktoren und ihre Zusammenhänge sollen Gegenstände der interdisziplinär ausgerichteten Konferenz sein. Sie umfassen unter anderem folgende Fragestellungen:
             

  1. Inwiefern spielt die Materialität bei der Organisation von Wissensbeständen in einem Buch eine Rolle? Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Volvellen in Schriften unter anderem von Raimundus Lullus. Doch auch andere verbreitete mediale Entscheidungen wie die Wahl eines bestimmten Taschenformats oder die Rubrizierung von Initialen sind für die Tagung interessant. Warum werden welche Buchformate ausgewählt und eingesetzt?
  2. Welche Kommunikationsformen werden wie verwendet und wie werden sie miteinander kombiniert? Wie stellt sich zum Beispiel das Verhältnis von Text und Bild dar? Welchen Einfluss haben ästhetische Aspekte und wie verändert sich der Einsatz dieser Kommunikationsformen in Abgrenzung zu anderen Medien?
  3. Welche physiologischen und psychologischen Prozesse begleiten das Lesen? Wie wird eine Seite aufgenommen und verarbeitet?
  4. Inwiefern spiegelt die Anordnung von Wissen soziale Distinktionen wider? Wie wird Wissen vermittelt, um diese Organisation von Wissen in Büchern zu verstehen? Wir wird es auf bestimmte Lesergruppen eingeschränkt und also vor anderen verborgen? Wir wird Wissen umgekehrt vermittelt, um eine möglichst große Menge an Menschen zu erreichen? Inwiefern stellen Kodizes und gedruckte Bücher selbst kollektive Aktionsräume dar?
  5. Welche historischen und kulturellen Differenzen lassen sich ausmachen? Sind etwa Übersetzungen auch Übersetzungen von einer Buchgestalt in eine andere? Was verraten kulturelle Irritationen und historisch bedingte Missverständnisse über die Funktionsweise des Buches? Welche Auswirkungen haben Wanderungen von einzelnen Büchern und Bibliotheksbeständen auf diese Praktiken?
  6. Welche Methoden eignen sich zur Erfassung dieser Gegenstände? Wie können Editionen die epistemische Organisation der Quellen repräsentieren? An welchen Stellen können digitale Verfahren wie Layoutanalyse, Schrifterkennung, Annotationen oder Untersuchungen mit okulographischen Instrumenten in geisteswissenschaftliche Forschungsprozesse eingebunden werden?

        

Programm

30.09.2019

Sektion 1: Sprache und Rhetorik (15:00 bis 18:30 Uhr)

Moderation: Andrea Rapp (Technische Universität Darmstadt)

Begrüßung durch Gyburg Uhlmann (Freie Universität Berlin)

Katharina Heinz (Universitetet i Oslo): Königliches Wissen. Rhetorische Vermittlungsstrategien in mittelalterlichen Handschriften

Linda Gennies und Julia Hübner (Freie Universität Berlin): Multilingua in octavo: Zur Gestalt frühneuzeitlicher Fremdsprachenlehrwerke

Elisabeth Décultot (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Ausgelagertes Buchwissen: Zu Winckelmanns Ökonomie des Exzerpts


        

1.10.2019

Sektion 2: Aristoteles und Aristotelismus (09:30 bis 12:00 Uhr)

Moderation: Christian Vogel (Freie Universität Berlin)

Michael Krewet und Philipp Hegel (Freie Universität Berlin): Didaktische Spuren in der Überlieferung von de interpretatione

Nikolaos Agiotis (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften): Syllogistische Diagramme zu den Ersten Analytiken in Byzanz

Christian Brockmann (Universität Hamburg): Interaktion von Text, Kommentar und Annotation in ausgewählten Aristotelischen Manuskripten

           

Sektion 3: Magie und Religion (13:00 bis 16:30 Uhr)

Moderation: Michael Krewet (Freie Universität Berlin)

Almut Bockisch (Humboldt-Universität zu Berlin): Kommentierung des Kommentars
(דרשת המדרש)

Michael Kohs (Universität Hamburg): Gesammeltes magisches Wissen in jüdischen Handschriften

Nora Schmidt (Freie Universität Berlin): Unverfügbarkeit der Schrift – ein koranischer Kontrapunkt zur spätantiken Episteme der Schriftoffenbarung

Paul Schweitzer-Martin (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg): Material und Format liturgischer Inkunabeldrucke


          

2.10.2019

Sektion 4: Alchemie (09:30 bis 12:00 Uhr)

Moderation: Philipp Hegel (Freie Universität Berlin)

Petra Feuerstein-Herz (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel): „Mercks auff ihr lieben filii“ – Alchemische Gebrauchsliteratur und Spuren ihrer Benutzung

Juschka Lioba Mattes und Volkhard Wels (Freie Universität Berlin): Alchemisches Wissen im Buchdruck um 1600

Ute Frietsch (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel): Der Wille zum Werk: Alchemische Gebrauchsliteratur und das Image der Autoren Thurneysser, Fludd und Johann Baptist van Helmont

 

Sektion 5: Politik, Ökonomie und fremde Kulturen (13:00 bis 16:00 Uhr)

Moderation: Sibylle Söring  (Freie Universität Berlin)

Stephan Kurz (Österreichische Akademie der Wissenschaften): Edition Ministerratsprotokolle – Register zu Auxiliardaten

Hole Rößler (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel): Mit allen Mitteln. Medien, Materialien und Strategien der Wissensvermarktung bei Joseph Furttenbach (1591‑1667)

Doris Gruber (Österreichische Akademie der Wissenschaften): Semi-automatisierte Identifikation intermaterieller Relationen in gedruckten Reiseberichten             

              

Zeit & Ort

30.09.2019 - 02.10.2019

TOPOI Haus
Hittorfstraße 18
14195 Berlin–Dahlem

Weitere Informationen

Um Anmeldung wird bis 8. September 2019 gebeten: philipp.hegel@fu-berlin.de

Kontakt:
Philipp Hegel
Freie Universität Berlin
SFB 980 ”Episteme in Bewegung“
Schwendenerstraße 8
14195 Berlin–Dahlem
Email: philipp.hegel@fu-berlin.de.