Ein interdisziplinäres Arbeitsgespräch, organisiert von Wilhelm Schmidt-Biggemann und Volkhard Wels
Ziel des Arbeitsgespräches ist es, genauer zu bestimmen, wie die Rosenkreuzer-Schriften, d.h. die „Fama Fraternitatis“ (1614), die „Confessio Fraternitatis“ (1615) und die „Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz anno 1459“ (1616) im theologischen, politischen und wissenschaftlichen (insbesondere alchemischen) Kontext der Zeit zu verorten sind. Unumstritten in der Forschung ist nur, dass in den Rosenkreuzer-Schriften ein hermetisches, okkultes, spiritualistisches, paracelsistisches und alchemisches Wissen vermittelt wird. Aber wie dieses Wissen zu verstehen ist, war bereits in der Zeit selbst höchst umstritten. Adam Haslmayr hält die Rosenkreuzer für eine spiritualistische, von Endzeiterwartungen durchdrungene Sekte, die ein geheimes Wissen besitzt und sich in radikaler Opposition zu den konfessionellen Kirchen befindet. Daniel Mögling beschreibt die Rosenkreuzer als eine Art Frömmigkeitselite, die an einer alchemischen Erlösung arbeitet. Michael Maier dagegen scheint die Rosenkreuzer vor allem für ein literarisches Spiel zu halten, wofür er nicht zuletzt darauf verweisen kann, dass die „Fama fraternitatis“ in ihrem Erstdruck zusammen mit den „Ragguagli di Parnasso“ des Traiano Boccalini, also einer Satire über die „Generalreformation“ der ganzen Welt, erschienen ist. Die juristischen Prozesse, die sich an die Veröffentlichung der Rosenkreuzer-Schriften anschließen, zeigen, dass die weltlichen Autoritäten allerdings den politischen Gehalt durchaus ernst genommen haben. Nicht zuletzt aufgrund dieser völlig divergenten Rezeption der Rosenkreuzer-Schriften will Andreae selbst spätestens 1619 nichts mehr mit diesen zu tun haben.
Angesichts dieser widersprüchlichen Einschätzungen der Rosenkreuzer-Schriften ist die genauere Bestimmung des Wissens, das die Rosenkreuzer-Schriften vermitteln, von entscheidender Bedeutung. Wie ist dieses Wissen theologisch und konfessionell zu verorten? – Wie verhält sich der Gesellschaftsentwurf, den der geheime Bund der Rosenkreuzer darstellt, zu Andreaes anderen Entwürfen von christlichen Gemeinschaften? – Inwiefern können die Rosenkreuzer als ein protestantischer Gegenentwurf zu den Jesuiten verstanden werden, mit denen sie ja nicht nur den Verzicht auf die Ordenskleidung teilen, sondern auch die hierarchische Organisationsform? – Wie verhält sich die Bruderschaft zu den zeitgenössischen Akademien, mit denen sie das Interesse an naturkundlichem Wissen und – vielleicht – die Opposition zum ‚toten Buchwissen‘ der Universitäten teilt? – Wie verhält sie sich zum Paracelsismus als einer neuen Grundlegung des medizinischen Wissens? Mit dem Paracelsismus hängt schließlich auch engstens die Frage nach dem Status des alchemischen Wissens besonders natürlich in der „Chymischen Hochzeit“ zusammen. Was für eine Konzeption von Alchemie kommt hier zum Ausdruck und welchen theologischen Status hat dieses alchemische Wissen in der Bruderschaft? Wie steht es mit dem Kern der „Chymischen Hochzeit“, der Produktion eines Homunculus?
Jeder Versuch, diese Fragen zu beantworten, muss immer auch in Betracht ziehen, dass es sich nicht nur bei der „Chymischen Hochzeit“, sondern auch bei der „Fama“ und der „Confessio“ um ein narrativ vermitteltes Wissen handelt. Nicht zuletzt deshalb haben die Rosenkreuzer-Schriften immer schon die Aufmerksamkeit der Literaturwissenschaft gefunden: Die Rosenkreuzer-Schriften vermitteln ihr Wissen eben nicht in abstrakt-begrifflicher, sondern in der narrativen Form eines Berichts oder (wie manche meinen) gar Romans. Es geht um Grabesöffnungen, Reisen, verlorene Manuskripte, geheime Bruderschaften und nicht zuletzt um eine Art Initiation. Welche Modelle gibt es für diese Form der Wissensvermittlung, der ‚Manifeste‘ und ‚Romane‘?
Zeit & Ort
28.02.2019 - 01.03.2019
Sitzungsraum der SFB-Villa, Schwendenerstraße 8, 14195 Berlin-Dahlem
Weitere Informationen
Für die Teilnahme ist eine Anmeldung erforderlich: vwels@zedat.fu-berlin.de