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Talmudische Medizin

Unterprojekt von Dr. Lennart Lehmhaus

 
Das judaistisch fokussierte Unterprojekt befasst sich mit dem medizinischen Wissen über den menschlichen Körper und Heilmethoden, wie es sich in der spätantiken talmudischen Literatur, mit ihrer anonymen und kollektiven Autorschaft, manifestiert. Diese jüdischen Traditionskomplexe, zu denen es bislang kaum verlässliche und vollständige Editionen und Übersetzungen gibt, umfassen insbesondere die als autoritativ überlieferten Texte der Mischna und Tosefta (ca. 3. Jh.) sowie ihre Auslegung bzw. Kommentierung im palästinischen Talmud (`Yerushalmi´ genannt/ ca. 6. Jh.) und im babylonischen Talmud (`Bavli´ genannt/ ca. 6.–7. Jh.).

Im großen Unterschied zu den griechisch-römischen Medizintraditionen gibt es in den Hebräisch-Aramäischen Texten des Judentums bis zum Mittelalter kein Werk, das sich ausschließlich mit Medizin beschäftigt. In den zwei Talmudim finden sich viele, zum Teil auch komplexe Informationen aus dem Bereich des Körperwissens, der Heilkunde und Heilmittel sowie der allgemeinen Ernährung und gesunden Lebensweise. All dieses medizinische Wissen ist jedoch weder systematisch behandelt noch strukturiert in einem bestimmten Traktat oder spezifischen Kapiteln gebündelt. In einigen Fällen lassen sich mitunter Cluster oder längere Diskussionen zu medizinisch relevanten Themen ausmachen. Doch viele Details werden meistens eher en passant in völlig anderen thematischen Zusammenhängen präsentiert und aufgegriffen. So findet sich viel gynäkologisches Wissen im Traktat Niddah (die Menstruierende), jedoch tauchen medizinische Informationen auch in anderen Traktaten auf, die sich primär mit Themen wie Hebeopfer (Teruma), Sabbatregeln (Shabbat), Scheidungsmodalitäten (Gittin) oder den nicht-jüdischen Kulten (Avoda Zara) befassen bieten viele medizinische Lehren.

Angesichts dieser Charakteristika der talmudischen Literatur konzentriert sich die erste Phase des Projektes auf die Sichtung und Sammlung aller medizinisch relevanten Stellen im Corpus der talmudischen Literatur. Diese Passagen werden nach philologischen Kriterien in ihren verschiedenen Überlieferungsvarianten (Handschriften, Drucke und Fragmente) verglichen, aufbereitet und zusammen mit einer englischen Übersetzungen und einem Kommentarapparat präsentiert. Eine solche Erarbeitung und Aufbereitung der Quellen ist unerlässlich für die weiterführenden komparativen Fragestellungen des Projekts mit Blick auf die babylonischen, syrischen und griechisch-römischen Medizintraditionen.