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Sinne und Sinnlichkeit. Neuplatonische Ästhetik in der Renaissance | Senses and Sensuality. Approaches to Neoplatonic Aesthetics in Renaissance Thought

28.10.2017
Dosso Dossi: Jupiter, Merkur und die Tugend, um 1530, Wien

Dosso Dossi: Jupiter, Merkur und die Tugend, um 1530, Wien
Bildquelle: Kunsthistorisches Museum, Private Photographie

Eine Kooperation des SFB-Teilprojekts B03 "Imaginatio. Imaginatives Sehen und Wissen – Theorien mentaler Bildlichkeit in Philosophie und Theologie des Mittelalters" (Leitung: Prof. Dr. Anne Eusterschulte) mit dem Kunsthistorischen Institut Florenz – Max Planck Institut (Prof. Dr. Alessandro Nova)

             

Der Kooperationsworkshop knüpft an zwei vorausgehende Veranstaltungen an: Nach einem intensiven Austausch über die problematische Rezeption der neuplatonischen Philosophie in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts (I) sowie einer Auseinandersetzung mit Fragen um den systematischen Ort des Ästhetischen in neoplatonischen Theorien (II) wird im dritten Workshop dieser Reihe zur Neuplatonischen Ästhetik das Thema Aisthesis im Zentrum stehen. Mit dem Workshop III „Sinne und Sinnlichkeit. Neuplatonische Ästhetik in der Renaissance“ werden wir Deutungsperspektiven und praktische Verfahren von Aisthesis sowohl aus philosophischer als auch aus kunstwissenschaftlicher Perspektive vertiefen. Dabei geht es dezidiert darum, die Bedeutung der Sinne, der sinnlichen Perzeption und des Sinnlichen in medialer wie materialer Hinsicht in den Fokus zu rücken und Dimensionen von Aisthesis in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit zu untersuchen. Insbesondere dem, was man als Widerständigkeit und Eigensinnigkeit des Materials gegenüber dem Logisch-Diskursiven fassen könnte, d.h. Formen aisthetischer Vergegenwärtigung, materialer Präsenz und schließlich Erfahrbarkeit sowie dem transgressiven Potential des Sinnlichen, das sich nicht vollends ins Begriffliche übersetzen lässt, gilt das Interesse. Damit kommen unterschiedliche Medien und Darstellungsformen wie Materialien in den Blick.

Die damit zusammenhängenden Fragen sind vielfältig: Auf welche Weise ist auch Texten bzw. Darstellungsweisen philosophischer Positionen jenseits ihres 'Informationsgehalts' und ihrer 'theoretischen Konzeptualisierungen' von Sinnlichkeit eine spezifische Sinnlichkeit zu eigen, die sich dezidiert nicht auf ihren propositionalen Gehalt reduzieren lässt? In welchen konkreten Textgestalten materialisiert sie sich, in welchen Dimensionen kommt sie zum Tragen und welche Funktionen kann sie erfüllen? Wie ließen sich auf der anderen Seite im künstlerischen Feld Entwürfe, Verschiebungen und Revisionen von Formen des Sinnlichen und konkreten Formen des Materiellen identifizieren und beschreiben, die an Diskursen über die Sinne Teil haben, an ihnen mitwirken, sie aber zugleich auch subtil problematisieren, unterlaufen oder gar kritisieren? Wie schließlich lassen sich Interaktionen zwischen z.B. textualen und künstlerischen Auseinandersetzungsweisen bestimmen und inwiefern wird das Sinnliche zu einem prozessualen Aushandlungs- und Reflexionsraum, der je an Materialitäten gebunden ist, gleichsam aus diesen emergiert?

All diese Fragen nach dem Verhältnis zwischen der künstlerischen Produktion, den Dimensionen ästhetischer Erfahrung und den Konzeptualisierungen der Sinne bzw. des Sinnlichen in der Renaissancephilosophie sind jedoch nicht allein aus historischer Perspektive von grundlegender Bedeutung. Vielmehr ermöglicht eine Auseinandersetzung mit diesem Problemfeld auch eine kritische Diskussion und Revision der Debatten um die Hinwendung der Kunstwissenschaften zur neoplatonischen Philosophie am Beginn des 20. Jahrhunderts. In diesem Kontext wurden vielfach Perspektiven prägend, die in Orientierung an ‚idealistischen’ Modellen einer neuplatonischen ‚Geistphilosophie’ der Rolle der Sinne bzw. der Sinnlichkeit und damit materialen Dimensionen der Künste kaum Rechnung getragen haben. Das hat in der aktuellen kunstwissenschaftlichen Debatte rigorose Kritik provoziert. Doch mit der Schwerpunktsetzung auf die Sinne, auf sinnlicher Erfahrung und Sinnlichkeit wird diese Einschätzung kritisch zu befragen sein. Gilt es doch zu prüfen, ob hier nicht je schon ein reduziertes Verständnis neuplatonischer Philosophie wirksam wird, das den Sinnen wie der Sinnlichkeit in neuplatonischen Texten bzw. im Textmedium wie in den Produktionen der Kunst selbst nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt.

Diesen Dimensionen von Aisthesis wird sich der interdisziplinäre Workshop widmen. Damit wird auch deutlich, dass Formen der Wissensaushandlung bzw. eines epistemischen Transfers keineswegs statisch verlaufen, sondern sich kontextuell verändern und in unterschiedlichen Medien Eigendynamiken auslösen. Gerade die Auseinandersetzung mit Sinnen und Sinnlichkeit in der Ästhetik der Renaissance wird zeigen, dass der Rolle des Sinnlichen und Bildlichen in der Wissensgenerierung eine dynamisierende Kraft zukommt, die vielfach nicht berücksichtigt wurde. Ziel des Workshops ist es, anhand exemplarischer Studien zu diskutieren, wie die Sinne und das Sinnliche (d. h. Dimensionen von Aisthesis) in Texten und Bildwerken, ein Movens der Wissensgenerierung bilden.
                             

Konzeption und Organisation: Georgios Binos und Hana Gründler in Zusammenarbeit mit Alessandro Nova (Florenz) und Anne Eusterschulte, Beate La Sala und Hanna Trauer (Berlin).

Anmeldung zur Teilnahme bitte an: s.ehrentraut@fu-berlin.de

   

   

Zeit & Ort

28.10.2017

SFB-Villa, Sitzungsraum, Schwendenerstraße 8, 14195 Berlin-Dahlem