Marianne Seidig: Eine Nelke, verschiedene Kirschen und eine Fliege. Zur visuellen Epistemologie einer Madonna mit Kind von Giorgio Schiavone
Vortrag auf Einladung durch das Teilprojekt B04 „Das Wissen der Kunst. Episteme und ästhetische Evidenz in der Renaissance“ (Leitung: Prof. Dr. K. Krüger)
Auf Einladung des Teilprojektes B04 „Das Wissen der Kunst. Episteme und ästhetische Evidenz in der Renaissance“ stellte Marianne Seidig Aspekte ihrer Doktorarbeit zu „Grenzen der Darstellung, Grenzen des Wissens. Zu einer visuellen Epistemik bei und im Umkreis von Giovanni Bellini“ vor. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildete eine Debatte über das Potenzial fiktionaler Medien – Bilder inbegriffen –, die in Venedig des 15. Jahrhunderts unter Gelehrten geführt wurde. Dichtung wurde als scienzia bezeichnet und Guarino Guarini führte aus, dass Bilder aufgrund ihres Wagemutes (potestas audendi) Wahrheiten unter dem Schleier der Fiktion zeigen. Dieses Potenzial, das Bildern in der Zeit zugesprochen wurde und das nicht zuletzt ein epistemisches Potenzial ist, thematisierte Seidig anhand von Giorgio Schiavones „Madonna mit Kind“ aus der Walters Art Gallery in Baltimore (um 1460). Die medienspezifische „Sprachfähigkeit“ von Bildern führte sie in diesem Fall auf die Addition einzelner Motive zurück: die gemalte Nelke auf der gemalten Brüstung verweise durch Konnotation und Assoziation auf die Wahrheit über den Kreuzestod Christi; die gemalte Fliege stehe einerseits für die Kunstfertigkeit des Malers und sein handwerkliches Wissen und thematisiere und reflektiere andererseits die Grenzen des Darstellbaren. Als bedeutende Konstituenten eines bildlichen Wissens sind damit sowohl das Zusammenspiel unterschiedlicher Wissensfelder wie auch die Imaginationsleistung des Betrachters angesprochen.
Marianne Seidig ist Doktorandin im Graduiertenkolleg Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800), Tübingen.
Zeit & Ort
20.12.2012 | 16:00 - 18:00
Interimsräumlichkeiten des SFB 980,Konferenzraum, Arnimallee 22, 14195 Berlin